Vortragsblock im Rahmen eines Interdisziplinären Symposiums im Weltkloster Radolfzell

Prof. Dr. Patricia Plummer.Foto: Frank Preuß

Prof. Dr. Patricia Plummer.Foto: Frank Preuß

Überschattet von Erdbeben, Tsunami und Reaktorkatastrophe wurde 2011 das 150jährige Jubiläum der deutsch-japanischen Freundschaft gefeiert. Diese Zäsur ist Ausgangspunkt eines interdisziplinären Symposiums, das vom 27.-29. April 2012 im Weltkloster Radolfzell stattfindet.

Auch wenn Japan einer der Hauptakteure der Globalisierung ist, so wird es aus westlicher Sicht häufig unter dem Vorzeichen des Zen-Buddhismus wahrgenommen, der spirituelle Traditionen wie Za-Zen (Stilles Sitzen), Ikebana, Teezeremonie, Steingärten und die Musik der japanischen Bambusflöte hervorgebracht hat. Diese neo-orientalistischen Vorstellungen blenden die Realität des modernen Japans ebenso aus wie die kulturellen und religiösen Transformationsprozesse, die durch den westlichen Japandiskurs v.a. der vergangenen 150 Jahre entstanden sind.

Im Weltkloster diskutieren darüber internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fächer Amerikanistik, Anglistik, Geschichte, Japanologie, Kunstwissenschaft, Philosophie, Soziologie und Theologie. Dabei findet nicht nur ein interdisziplinärer Dialog, sondern auch ein intensiver Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis statt, denn es sind auch Experten für Zen-Meditation sowie für die meditative Musik der japanischen Zenflöte beteiligt.

Veranstalter

Veranstaltet wird das Symposium von Prof. Dr. Patricia Plummer, Professorin für Postcolonial Studies an der Universität Duisburg-Essen, in Kooperation mit dem Trägerverein Weltkloster Radolfzell e.V.

Vorträge

Die folgenden Vorträge am Sonntag, 29.04.2012 von 09.00-11.15 Uhr stehen als Block auch einem interessierten Publikum offen.

Anime und Animismus

Der Vortrag beschäftigt sich mit den Überschneidungen von Anime und dem Animismus. Anime ist das japanische Wort für Zeichentrickfilm, und im Westen bezeichnet es generell japanische Zeichentrickfilme. Animismus ist ein Glaubenssystem, das Götter und Geister überall, sowohl in Lebewesen als auch in Nicht-Lebewesen, erkennt. Das Wort Animismus benutzen zur Zeit sogenannte „Spirituelle Intellektuelle“ in Japan, um auf den traditionellen japanischen Glauben hinzuweisen.

Die zwei Begriffe erscheinen auf den ersten Blick unterschiedlich. Sie teilen aber den selben etymologischen Stamm „Anima“, der Leben, Seele, und Geist bedeutet. Japanische Intellektuelle diskutieren oft den Zusammenhang zwischen diesen Begriffen. Im Vortrag wird diese Diskussion erweitert, indem die „offenen Qualitäten“ sowohl des Genres als auch des Glaubenssystems untersucht werden: die Inklusivität, die Multiplizität, die Zeit- und Raumverzerrung, die Metamorphose, und die textuelle Flexibilität.

Die Referentin

Dr. Eriko Ogihara-Schuck ist Amerikanistin an der TU Dortmund. Seit 2006 bietet sie Seminare in der Amerikanistik und Japanischkurse an. Im Jahr 2011 hat sie promoviert mit der Dissertation „Anime as a Medium of Inter-Religious Dialogue: American and German Receptions of Japanese Animism through Hayao Miyazaki’s Films.“ Zur Zeit beschäftigt sie sich mit ihrem Postdoc-Projekt über Aging Culture in Amerika ab dem 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Barmherzigkeit als meditative und soziale Praxis in westlichen und östlichen Tradition

Liebe, Hass und Barmherzigkeit sind Grundgrößen menschlichen und göttlichen Wahrnehmens, Fühlens, Handelns und Denkens. Sie sind zentrale Themen jüdisch-christlicher und auch buddhistischer Überlieferung in meditativer und sozialer Praxis. Theologisch, religionswissenschaftlich und tiefenpsychologisch wird erörtert, wie die polare Spannung zwischen Liebe und Hass auf Barmherzigkeit hin überschritten werden kann.

Der Referent

Prof. Dr. Gerhard Marcel Martin promovierte als evangelischer Theologe und Philosoph an der Universität Tübingen und übte Lehrtätigkeiten am Union Theological Seminary New York aus. Von 1975-1982 wirkte er als Pfarrer und Studienleiter, zeitweise stellvertretender Direktor an der Evangelischen Akademie Arnoldshain. Anschließend wirkte er bis zum Jahre 2007 als Professor für Praktische Theologie an der Philipps Universität Marburg (seit 1999 auch Universitätsprediger). Eine Gastprofessur hatte er an der (buddhistischen) Otani University Kyoto/Japan von 2006-2008 inne. 13 Bücher und zahlreiche andere Veröffentlichungen erschienen u.a. zu den Arbeitsschwerpunkten mehrdimensionale Hermeneutik religiöser Texte und Riten, Diskursfeld: Theologie / Tiefenpsychologie / Ästhetik, Apokalyptik, Thomas Evangelium, Spiritualität, interreligiösem Dialog (Judentum – Christentum – Buddhismus), Kunst, Kirche und Kultur.

Erleuchtung trifft Auferstehung: Interreligiöser Dialog Christentum Zen

Das Verhältnis Zen und Christentum entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten aus einem spannenden Prozess heraus: die unterschiedlichen Richtungen und Ansätze, welche Erleuchtung und Auferstehung zu verbinden suchen, sind mannigfaltig. In ihrem Buch „Erleuchtung trifft Auferstehung“ versucht Ursula Baatz einen Blick hierauf zu werfen unter der Prämisse, eher Gemeinsamkeiten als völlige Differenzen zu betonen und sie in ihrem geschichtlichen sowie kulturellen Kontext zu erörtern.

Hugo Enomiya-Lassalle, über den sie im Jahre 1998 eine Biografie geschrieben hat, wird als entscheidender Wegbereiter der Verständigung zwischen Zen-Buddhismus und Christentum angesehen und gilt mit seinen Texten und Thesen bis heute als Inspirator zahlreicher Diskurse. Auch sein Einfluss auf die Bildung einer eigenen Identität innerhalb dieser religiösen Systeme wird im Buch besprochen. Dabei steht die Erfahrung einer gemeinsamen Wirklichkeit hinter den einzelnen Traditionen im Blickpunkt.

Die Referentin

Dr. Ursula Baatz, ehemalige Schülerin von Hugo M. Enomiya-Lassalle, widmet sich seit langem dem Studium und der Praxis des Zen. In den Fachbereichen Religionsphilosophie, Religionswissenschaft, Ethik, Wirtschafts- und Sozialgeschichte übt sie seit 1984 zahlreiche Lehraufträge an der Universität Wien aus. Die Buddhismus-Rezeption im Westen bildet hierbei einen Schwerpunkt. Ihre Tätigkeit als Redakteurin des ORF (Religion und Wissenschaft) ermöglicht ihr eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit ihrem Fachgebiet in der Öffentlichkeit. Unter anderem erschienen von ihr zwei Biografien über Enomiya-Lassalle sowie zahlreiche Übersetzungen und buddhistische Fachliteratur.

Ort

Weltkloster Radolfzell, Obertorstrasse 10, 78315 Radolfzell

Kosten

Es wird kein Eintritt erhoben, Spenden sind jedoch gerne willkommen.

Anmeldung

Wegen des begrenzten Platzangebots bitten wir um Anmeldung.