Nachbericht zum Interreligiös-monastischer Weltkloster-Dialog

Rückbindung an uns Tragendes
Türen zu inneren Räumen öffnen – ins Außen wirken
Nachbericht und Reflexion von Alexandra Mann M.A.

Unsere diesjährigen interreligiös monastischen Dialogtage im Europakloster Gut Aich berührten durch das Interagieren geschulter und erfahrener RepräsentantInnen unterschiedlicher religiöser Hintergründe erneut in ganz besonderer Weise:

Die bereits im Vorfeld angestrebte Stärkung von gesellschaftlicher Teilhabe durch Verbundenheit in gemeinsamem Erleben, wurden diesmal über die täglichen Gesprächs- und Gebetseinheiten hinaus ermöglicht: durch drei Abende, welche für ein breites Publikum intern erörterte Themen und unterschiedliche Ansätze, persönliche Zugänge und Herangehensweisen sicht- und hörbar werden liessen.

Darüberhinaus interviewte die Redakteurin Stefanie Jeller von Radio Klassik Stephansdom Mitwirkende und Veranstalter über ihre jeweiligen Zugänge zum Thema.

Die Vertreter vor Ort, Bhikshu Tenzin Peljor und Edward Espe Brown aus indo-tibetisch und zen-buddhistischer Tradition trafen auf Krishna Premarupa Das, Mehmet Ungan und Dervish Shems aus dem hinduistischen und islamischen Bereich. Gemeinsam mit Br. Jakobus Geiger OSB, Br. Mag. Thomas Hessler OSB, Br. Dr. Antonius Nathanaël Huber OSB und Pater Dr. Christian M. Rutishauser SJ, welche in der christlich benediktinischen und jesuitischer Tradition beheimatet sind, widmeten sich im Rahmen von unterschiedlich gestalteten Gruppen und eines interreligiösen Konzerts den Fragen und Anliegen des Publikums.

Besonders freuten wir uns über die Mitwirkung Br. David Steindl-Rasts OSB, während der Dialogwoche, welcher als Pionier des interreligiös monastischen Dialogs seit vielen Jahrzehnten maßgeblich Impulse in diesem Bereich setzt und mit seiner Expertise, differenzierten Fragestellungen und herzlicher Zugewandtheit unsere Runden in besonderer Form bereicherte.

Darüberhinaus begrüßten wir durch Video-Zuschaltungen während unserer täglichen Gesprächseinheiten die DialogpartnerInnen Dr. Nicola Towfigh (Bahai), Sr. Canisia Mack SCSC (Hlg. Kreuz Schwester), Kantor Daniel Kempin (Egalitärer Minjan Frankfurt), Sheikh-ul-Maishaikh Mahmood Khan (Foundation International Sufi Centre 1923) und den islamischen Theologen Dr. Raid-al-Daghistani.

Sie gaben zusätzliche Denkanstöße, erweiterten unsere Diskussionseinheiten vor Ort und halfen bei der Reflexion aktueller gesellschaftspolitischer Herausforderungen, deren Erörterung gemeinhin viel Sensibilität und Erfahrung im interreligiösen Dialog erfordert.

Wohlwollende Interaktion nimmt ihren Ursprung stets in der eigenen Haltung- deren Prägung immer wieder erneut in verschiedenen Kontexten analysiert und eingeordnet werden muss.

Ausgehend vom aktuellen Thema reflektierten die Geistlichen eigene Sichtweisen und tauschten sich hierüber untereinander aus.

So war die konzentrierte Dialog-Woche nicht nur Treffen und dialogisches Miteinander sondern auch ein Suchen nach Anknüpfungsmöglichkeiten eigener innerer Überzeugungen zu jenen des jeweils anderen.

Dieses prozesshafte Geschehen suchte man auch in den gut besuchten abendlichen öffentlichen Runden zu vermitteln, bei denen wir nach unterschiedlichen Bedürfnissen und durch differenzierten Diskurs das Publikum miteinbezogen.

Unser Kooperationspartner und langjähriger Dialogpartner Br. Thomas Hessler OSB verstand sie als Beitrag zu einer „Zeit der Verständigung und des Verstehens trotz und gerade wegen der Unterschiedlichkeit.“

Nicht nur der über Jahre hierbei entstandene und tief empfundene Respekt der Dialogteilnehmenden untereinander wurde erfahrbar gemacht sondern auch ihr traditionelles Verständnis dargelegt sowie praktische Methoden von Innenschau und Geistes-Schulung zum Ausdruck gebracht. Dies gelang u.a. durch gleichnishaftes Erzählen oder auch musikalisches Meditieren. So entstanden Räume, welche spürbar werden liessen, auf welche Art und Weise authentische und nachhaltige Dialogpraxis funktionieren und konstruktiv gestaltend wirken kann.

Das tägliche Miteinbeziehen von praktischen Übungen wie Formen von Kontemplation, die gemeinsame Teilnahme an den benediktinischen Stundengebeten sowie interreligiös gestaltete Beiträge der unterschiedlichen Repräsentanten vor Ort hierbei, eröffneten Felder der Verbundenheit, welche wiederum inspirierend auf die internen Fach-Gespräche Einfluss ausübten.

Authentisch spirituelle Praxis bewirkt gemäß der Aussage aller DialogpartnerInnen ein Öffnen zu eigener innerer Tiefe. Diese ist notwendig um mit dem Transzendenten resonieren und sich mit den Feldern der anderen verbinden zu können. Hier liegt die Kraft und Stärke eines Zusammenkommens von Menschen, welche sich entschieden haben, den Weg eigener Innenschau und spiritueller Praxis zu gehen.

Aus diesem Bewusstsein heraus gelingt es sodann einzelne Themenfelder ganzheitlich zu erörtern.

Klang, Musik oder Singen sind z.B. gemäß der verschiedenen Traditionen weit mehr als nur Geräusch; es ist die Stille, welche Tiefe und Berührung zwischen den Tönen im Innersten ausmacht und erahnen lässt, was durch die Musik hindurchschwingt. So verhilft sie in besonderer Weise zu einem Öffnen innerer Türen.

Nach dem Religionsphilosophen und römisch-katholischen Priester Prof. Raimon Panikkar können wir heute die bestehenden zwischenmenschlichen, politischen, ökologischen und religiösen Krisensituationen nur bewältigen, wenn wir bereit sind, uns auch einer Dimension des Schweigens zu öffnen und uns auf die Erfahrung des unmittelbaren Gewahrseins einlassen wie er etwa in: Wort und Schweigen (in: Sorace, Marco A./ Zimmerling, Peter (Hrsg): „Das Schweigen Gottes in der Welt, Mystik im 20. Jahrhundert“) beschreibt.

Für Br. Jakobus Geiger OSB ereignen sich besondere Momente der Stille in der Natur; für ihn sei der Ton des Ewigen immer da. Sei man auf ihn oder das (ein)gestimmt, könne etwas resonieren. Die eigene Öffnung sei damit unabdingbar verbunden; dieser Ansatz stünde jedoch in der eigenen christlichen Tradition hinter einem rationalen stark zurück.

Bei der Kunst des Bogenschiessens etwa lerne man diese Qualität.

Hierbei bezog sich Br. Jakobus auch auf den Soziologen und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa, welcher beschreibt, dass unsere moderne Kultur einen Verlust an Resonanz erlebe, aber auch noch immer eine große Sehnsucht nach ihr bestünde.

Die Gespräche der internen Dialogrunden führten in die Tiefe eigener Erfahrung der Teilnehmenden und machten deutlich, dass es sich hierbei um dynamische und sich stetig erneuernde Prozesse handelt. So wie Pater Johannes Pausch OSB bei früheren Begegnungen das Göttliche/ Transzendente mit einer Quelle beschrieb, welche kontinuierlich das Eigentliche, Frische und Ursprüngliche aus sich heraus spendet, so muss das resonanzhafte Geschehen als etwas erlebt werden, was wir durch Bilder und Beschreibungen lediglich bedingt vermitteln können.

Die eigentliche Erfahrung dieser Quelle geschieht ausschließlich im Augenblick- es ist an uns, sie stets neu zu erleben.

Durch sie wird es uns darüberhinaus möglich, Bilder und Definitionen zu begreifen, zu erspüren was hinter ihnen steht um gegebenenfalls neue Zugänge zu den wesentlichen und im Sinne von re-ligio verstandenen Lehren über unseren Ursprung und unser Wesen zu finden und sie im Sinne der Zeit erlebbar zu machen.

Dass dieses Verständnis von Religiösem, insbesondere in der heutigen weltweiten Krisenzeit von existentieller Bedeutung ist, stellten die Teilnehmenden übereinstimmend fest.

Um Fähigkeiten von Innenschau und Vergegenwärtigung zu schulen, braucht es Rückzugsphasen und -räume.

Unsere zunächst bewusst geschlossenen Runden dienen dem Zweck, zuallererst untereinander in Verbundenheit und Fokussierung über bestimmte Themen in intensiven Austausch zu treten; hierdurch geschieht Commitment und Entfaltung auf deren Grundlage anschliessend eine Vermittlung von Erkenntnissen nach aussen hin erfolgen kann. Die eigene innere Sammlung steht hierbei allem voran und bildet den Ausgangspunkt um miteinander ins Gespräch und in das Teilen der Erfahrung zu gelangen.

Unser Dialog-Gast Edward Brown, Zen-Priester aus den USA erwähnte die Bedeutung der geschlossenen Gruppe innerhalb der Soto Tradition:

in ihr sei es von Bedeutung, dass alle zusammen praktiziert müssten. Im Soto säße man vor der Wand und liesse die Welt hinter sich. Man übe, das Licht nach innen zu richten um die eigene Mitte zu finden.

Für Derwish Shems stellt ein ‚miteinander (für etwas) Brennen‘ einen wichtigen Punkt dar. Wenn sich Menschen für etwas begeisterten, sei es besonders kraftvoll.

Im indo-tibetischen Buddhismus stünde hierbei Licht für das Licht der Weisheit, beschrieb Tenzin Peljor während einer Morgeneinheit. Es handelte sich um eine Qualität des Geistes, welcher lichthaft sei.

Symbolisch gesehen verweise er auf eine Rückverbindung zum Selbst.

Dieser Geist sei leuchtend, klarer Lichtgeist und ebenso klares Licht des Todes. Aber eben auch jenes Licht, welches die Unwissenheit vertreibe. Dieses gelte es zu entfachen.

Der Geist in sich wäre rein, frei von Trübungen. Diese (Trübungen) befänden sich nicht in der Natur des Geistes.

Laut Mehmet Ungan existiere im Islamischen das

Bild dreier, in einer Flasche brennenden Kerzen: sie symbolisierten Physisches, Seelisches und Psychisches.

Gebete seien so aufgebaut; sie nutzten u.a. Tanz und Bewegung und stünden für einen Prozess des Annehmens und des Loslassens.

Derwish Shems bemerkte, dass in vielen Gebeten die Lichtmetapher existiere:

Licht leuchtete in der Finsternis. In tiefster Dunkelheit wäre ein Lichtkeim, welcher auch in den Sternen zu sehen sei.

So eignen sich ursprüngliche, für Religionen zentrale bildhafte Vorstellungen und deren unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten um sie sich gegenseitig vorzustellen und über deren orthodoxe, aber auch individuelle Bedeutung für den Praktizierenden zu reflektieren.

Gehen wir etwa von einem Menschenbild aus, welches die Vorstellung von oder einen Bezug zu einer, allem Seienden inhärenten Lichthaftigkeit voraussetzt, lassen sich zu allen Themen, die uns im Innen und Aussen, also auch beim vermeintlich rationalen Weltgeschehen beschäftigen, Brücken bauen.

Br. David thematisierte darüberhinaus die Frage, ob der Mensch das Leben lebt oder es das Leben selbst ist, welches durch den Menschen lebt. Er verwies auf die Bedeutung des wichtigen Aspekts des Loslassens hierbei, um innere Türen zu öffnen und auch das Leben für einen entscheiden zu lassen.

Wenn es um persönliche Entscheidungen ginge, wie etwa im medizinischen Bereich, in welchem man stets reagieren und agieren müsse, helfe gemäß den Ausführungen des Arztes Br. Antonius die Vorstellung des Wu Wei weiter, des Nicht Tuns. Wir sollten uns meditativ öffnen -laut Br. David über scharfes Nachdenken hinaus- und den Fluss des Lebens miteinbeziehen.

Der Taoismus drücke diese Wahrheiten am besten für ihn aus.

Br. Jakobus beschrieb diesbezüglich Erkenntnisse aus seiner Arbeit als geistlicher Begleiter, bei welcher er durch Loslassen und Offenheit wichtige Impulse bei seiner Tätigkeit empfangen und weitergeben könne.

Für Pater Rutishauser sei in diesem Kontext die zentrale Bedeutung von Entscheidung innerhalb der jesuitischen Tradition sehr wichtig.

Im Entscheidungsaugenblick müsse das (transzendente) Geheimnis in die Entscheidung miteinbezogen werden.

Br. David verwies darauf, dass all jenes was geschieden wäre, wieder eins werden müsse. Es ginge um das Nichttun im Tun, das Loslassen. Dann würde das Leben die Entscheidungen durch uns treffen.

So könne man über die Menschen hinausgehen- in eine andere Dimension. Es würde mit der Dankbarkeit dem Leben gegenüber seinen Anfang nehmen.

Denn ganz ohne unser Zutun (christl. Verständnis) kämen wir ins Leben- darauf könnten wir uns verlassen.

Im christlichen Sprachgebrauch bedeutete dies Gottvertrauen: Vertrauen in das Geheimnis des Lebens.

Auch mit dem Dalai Lama spräche er vom großen Geheimnis des Lebens.

Manche Traditionen nennten dies Gott – unter dem Aspekt der persönlichen Beziehung.

Hierbei betonte er, dass man eigentlich nicht mit Dankbarkeit beginnen solle, wenn man darüber spräche. Der eigentliche Ansatzpunkt sei Lebensvertrauen.

Dieses ginge der Dankbarkeit voraus. Und Dankbarkeit bedeutete als Lebenshaltung

das Gegebene, das in jedem Augenblick Gegebene, wertzuschätzen.

Einen Bezug zu diesem Ansatz übe man im indo-tibetischen Buddhismus

dadurch, jedes Lebewesen als die eigene Mutter zu sehen und über die Güte der Eltern zu meditieren. Man entwickele auf diese Weise ein Gefühl zu diesem Bild, da es mit Vertrauen einhergehe, führte Tenzin Peljor aus.

Geistliche Übungen religiöser Traditionen vermitteln Erfahrungswege, die den

Einzelnen bereichern, ihn schulen und somit auch der Gruppe und der Gemeinschaft um ihn herum Segen und Trost spenden können. Verschiedene Möglichkeiten von Vergegenwärtigung, Meditation und Konzentration wirken im eigenen Geist und finden seit langem nicht nur Einzug in moderne verhaltenstherapeutische Ansätze.

Ihre Vermittlung bereichert darüber hinaus auch konkret Beistand und Seelsorge, etwa in der Jugend- und Sozialarbeit sowie in der Strafvollzugsbetreuung, wie Tenzin Peljor anschaulich beschrieb.

Bei aller Diskussion und Reflexion gelang den Dialogteilnehmenden auch in diesem Jahr erneut zum Ausdruck zu bringen, was Sr. Canisa Mack, Heilig Kreuz Schwester nicht müde wird zu betonen:

Es ist die Stille, die es vermehrt braucht, nicht so sehr die vielen Worte.

Für die 93-jährige Ordensschwester ist es bedeutsam auf die Zeichen der Zeit zu achten und durch das Horchen nach innen zu erfassen, wie wir uns religionsübergreifend unserer Quelle gewahr werden und uns mit den anderen hierüber verbinden können.

So legen wir bei unserer Dialogarbeit den Fokus auf die religiöse, kontemplative Praxis, die innere geistliche Arbeit und das Vorstellen und Teilen dieser. Die hieraus resultierenden Effekte werden sichtbar und inspirieren:

Sie erreichen die Herzen der Menschen im inter- und intrareligiösen Austausch durch heil- und achtsame Wortwahl und Ausdrucksformen, geprägt vom Erfahrungsschatz vieler Lebensjahre aktiver Auseinandersetzung mit eigenen inneren Prozessen von Erkenntnis und traditioneller Geistesschulung. Stets in Einklang mit den in unseren Gesellschaften als ethisch definierten Maximen: in mitfühlender und wertschätzender Anteilnahme.

Kontemplative lernen ihre eigenen Türen zu öffnen um sich an jenes rückzubinden, von dem sie ausgehen, dass es als Urgrund oder Gesetzmäßigkeit alles Seienden wirkt; sie lassen jenes sichtbar werden, was sie zutiefst geprägt hat, was ihnen Wurzeln gab und Weite in Seele und Bewusstsein:

Das Öffnen ihrer Erfahrungsräume wirkt ins Außen – in die „Wirk-lichkeit“.

„Wenn es jenseits und in den vielen Worten der Glaubenssätze kein Schweigen gibt, ist das keine Religion, es ist nur religiöse Ideologie. Denn Religion reicht weiter als Worte und Tun. Zur äußersten Wahrheit gelangt sie nur in Schweigen und Liebe. Wo das Schweigen fehlt, wo nur die „vielen Worte“ sind und nicht das eine Wort, da ist geschäftige Betriebsamkeit, aber kein Friede, kein tiefes Bedenken, kein Verstehen, keine innere Ruhe. Wo kein Friede ist, da ist kein Licht und keine Liebe“.

Zitat des Trappisten, Mystikers und Weggefährten Br. Davids, Thomas Merton OCSO (Das Schweigen der Einsamkeit. Einsichten eines Eremiten des 20. Jahrhunderts. In: Sorace, Marco A./ Zimmerling, Peter (Hrsg.): Das Schweigen Gottes in der Welt. Mystik im 20. Jahrhundert.)

Alexandra Mann M.A.
Vorsitzende/Geschäftsführerin
TV Weltkloster e.V.